Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum in der Schwangerschaft und Stillzeit
Verschiedene Studien belegen, dass die Anzahl schwangerer Menschen, die eine Suchtproblematik aufweisen, steigt. Das gebärfähige Alter ist auch dasjenige mit der höchsten Konsumprävalenz für Alkohol und Tabak. Im Jahr 2018 sind europaweit 60.000 Schwangere mit chronischem Substanzmissbrauch zu verzeichnen, davon etwa 50 % mit Opioidkonsum. Insbesondere für Alkohol, aber auch für Benzodiazepine und andere sedierende Substanzen ist eine hohe Dunkelziffer anzunehmen (relative gesellschaftliche Akzeptanz in westlichen Gesellschaften). Gemäß der PREMOS-Studie von 2011 (Wittchen) haben 50 % aller substituierten Frauen Kinder.*2
Generell sind süchtige, schwangere Menschen einem Ausmaß an Stigmatisierung ausgesetzt, das über dasjenige anderer Suchtkranker noch hinausgeht. Dieses gilt umso mehr, wenn sie illegale Substanzen konsumieren. Im Kontrast dazu, und ohne die dahinter stehende Problematik schmälern zu wollen, steht die Tatsache, dass die schwersten und irreparabelsten Schädigungen der ungeborenen Kinder durch den Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft herbeigeführt werden.
Zusätzliche psychosoziale und körperliche Belastungen wie Armut, soziale Isolation, unbehandelte körperliche und seelische Erkrankungen, traumatische Erfahrungen und Traumafolgestörungen sowie akute Gewalterfahrungen wirken sich mit unterschiedlichen Konsequenzen auf die Schwangerschaft und die Entwicklung des ungeborenen Kindes aus.
Ungeachtet der substanzspezifischen Wirkung des Konsums auf das ungeborene Kind lassen sich über alle Substanzen – Tabak, Alkohol, Drogen – hinweg folgende nachteiligen oder schädigenden Wirkungen festhalten:
- Es gibt eine unmittelbar toxische Wirkung der verschiedenen Substanzen.
- Das Risiko der negativen Wirkungen oder Schädigungen beim ungeborenen Kind steigt in Abhängigkeit von Häufigkeit, Dosis und Vielfalt der konsumierten Substanzen.
- Aufgrund des vorherrschenden Mischkonsums (Tabak, Alkohol, Medikamente) sind Aussagen zur tatsächlichen Auswirkung der einzelnen Substanzen nur teilweise wissenschaftlich gesichert.
- Die insbesondere bei illegalen Substanzen beigemengten Streckmittel erhöhen die Risiken für das ungeborene Kind zusätzlich, ebenso die häufig prekären Lebenslagen der betroffenen schwangeren.
Das Thema ist komplex und umfangreich, daher soll an dieser Stelle lediglich exemplarisch ein vertiefender Blick auf den Tabakkonsum geworfen werden:
- Nikotin ist plazentagängig, bewirkt Verengung der Blutgefäße (sowohl bei der schwangeren Person als auch beim Embryo/Fötus) und führt zu einer unzureichenden Nährstoffversorgung.
- Direkte Auswirkung: Erhöhte Kohlenmonoxid- bzw. reduzierte Sauerstoffversorgung des Kindes, was zu unmittelbarem Stress beim ungeborenen Kind führt.
- Rauchbedingte morphologische Veränderungen der Plazenta, die dauerhaft zu einer reduzierten Nährstoffversorgung führen.
- Bei einem durchschnittlichen Konsum von 13 Zigaretten/Tag wird der Fetus den Giftstoffen von rund 3.640 Zigaretten ausgesetzt (1.000 unterschiedliche Giftstoffe in einer Zigarette).
- Das ungeborene Kind erhält die gleiche Menge/Konzentration an Abbrandprodukten (u. a. Nikotin), die auch die schwangere Person aufnimmt.
- 20 Minuten, nachdem eine Zigarette geraucht wurde, weist der Fetus die gleiche Nikotinkonzentration im Blut auf wie die konsumierende Person.
- Mögliche Schädigungen des Fetus/Kindes:
Die Kinder kommen tendenziell kleiner, leichter und mit geringerem Kopfumfang zur Welt: Rauchen ist für 20 – 30 % aller Fälle von geringem Geburtsgewicht verantwortlich. - Rauchen ist während des letzten Drittels der Schwangerschaft besonders ungünstig, da dies die intensivste Wachstumsphase des Fetus ist.
- Das Fehl-/Frühgeburtsrisiko steigt: Rauchen ist für 15 % aller Frühgeburten verantwortlich.
- Das Risiko perinataler (Zeitraum kurz vor, während und kurz nach der Entbindung) Sterblichkeit ist um ein 1,5-faches erhöht.
- Das Risiko für einen plötzlichen Kindstod nimmt nach der Geburt weiter zu, wenn das Elternteil weiterhin raucht und das Kind passiv mitraucht.
- Es besteht ein erhöhtes Risiko von Fehlbildungen (Lippen-, Kiefer-, Gaumenspalten).
- Stillen: Wegen der guten Fettlöslichkeit von Nikotin lässt sich eine dreifach höhere Konzentration in der Mutter*1milch gegenüber dem Blut nachweisen. Dennoch sind die günstigen Effekte des Stillens höher zu bewerten, sofern Rauchpausen vor dem Stillen eingehalten werden.
Weitere Informationen
Die Fachstelle Frauen und Familie BELLA DONNA, bietet regelmäßig Fortbildungen zu den Folgen von Substanzkonsum während der Schwangerschaft und Stillzeit an.
Näheres zum Thema Substanzkonsum und Schwangerschaft finden Sie außerdem im Wissensnetzwerk Kinder in suchtbelasteten Familien, w-kis.de, der Fachstelle Frauen und Familie BELLA DONNA: www.w-kis.de
Zur Information rund um den Arzneimittelkonsum in der Schwangerschaft sei die Seite des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin: https://www.embryotox.de/ empfohlen.
NACOA Deutschland ist die Interessenvertretung für die Kinder in Deutschland, die in ihren Familien unter Alkohol- oder Drogenkrankheit bzw. nicht-stofflichen Süchten seitens Ihrer Eltern leiden: nacoa.de
Quellenangaben:
Alkohol in der Schwangerschaft: Ein kritisches Resümee. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2002).
Batra, Anil (2019): Schwangerschaft und Sucht. In: Soyka, M. u. a. (Hrsg.): Suchtmedizin. Elsevier, 377 – 384.
Brandt L. und G. Fischer (2013): Schwangerschaft und Sucht. Multiprofessionelle Behandlung von substanzabhängigen schwangeren Frauen. In: Psychopraxis 2013 – 16: 19 – 24.
Du liebes Kind! Infobroschüre der Deutschen Aidshilfe (2020).
Erbas, B. u. a. (2014): Behandlung substituierter Frauen während der Schwangerschaft und Geburt. Informationspapier der Bayerischen Akademie für Sucht- und Gesundheitsfragen.
Gesundheit von Mutter & Kind – eine Broschüre der Landesinitiative NRW, gefördert durch das MGEPA.NRW (2009).
Larrazolo u. a. (2014): Suchtmittelkonsum während der Schwangerschaft. Bachelor-Arbeit a. d. Hochschule Luzern.
Tödte, Martina u. a. (2016): Schwangerschaft und Mutterschaft bei drogenabhängigen Frauen. In: Tödte, M. und Bernhard, C. (Hrsg.): Frauensuchtarbeit in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme. Bielefeld: 163 – 183).